Rumpler
"Neue Wege im Automobilbau" beschritt der Ingenieur
Edmund Rumpler mit seiner windschnittigen Limousine, die
im Herbst 1921 auf der Deutschen Automobilausstellung in
Berlin große Beachtung fand. Von oben gesehen entsprach
die Form einem fallenden Wassertropfen. Das sollte den
Luftwiderstand mindern und die Staubentwicklung
reduzieren. Rumpler nannte sein "Tropfen-Auto" den
idealen Stromlinienwagen. "Geringster
Brennstoffverbrauch" und "größter Wirkungsgrad" hieß es
in der Werbung der RUMPLER-WERKE. Tatsächlich weist der
ungewöhnliche Wagen einen niedrigeren Luftwiderstand auf
als viele Autos, die ein halbes Jahrhundert später
gebaut wurden.
Das stellte sich aber erst heraus, als sich die
Automobilkonstrukteure nach zwei Energiekrisen wieder
der Stromlinienform besannen, die Jahrzehnte zuvor
einmal eine große Rolle gespielt hatte. Um bei der
Entwicklung neuer strömungsgünstiger Karosserien nicht
bei Null beginnen zu müssen, untersuchte man 1979 im
Windkanal des Volkswagenwerks in Wolfsburg Fahrzeuge mit
vorbildlicher Aerodynamik. Die Vermessung des Rumpler-
Tropfenwagens aus dem Deutschen Museum ergab einen
Luftwiderstandsbeiwert von 0,28. Das war sensationell.
"Soweit müssen wir wieder kommen", sagten sich die VW-
Ingenieure und schafften es beim Golf trotzdem erst beim
dritten face-lifting. Den glatten Wagenboden des
Rumpler-Wagens hat der Golf noch immer nicht.
Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich im Automobilbau
eine gewisse Standardbauweise herausgebildet. Der Motor
wurde nicht mehr im Heck, sondern vorne im Wagen
eingebaut. Über eine lange Kardanwelle trieb er die
starre Hinterachse an. Lastwagen werden heute noch so
gebaut. Beim PKW versuchte man schon in den 20er Jahren
davon wegzukommen. Rumpler fand den idealen Platz für
den Motor: vor der Hinterachse. Der Mittelmotor war
erfunden. Jeder Rennwagen hat ihn - heutzutage.
Folgerichtig wurden Getriebe und Differential dahinter
angeordnet und die angetriebenen Räder unabhängig
voneinander aufgehängt und gefedert.
Die Presse schrieb 1921, "dass die vielfach verbreitete
Ansicht von der Unmöglichkeit der Weiterentwicklung des
Kraftwagens irrig ist und durch die beschriebene
Konstruktion widerlegt wird". Dieses Lob in der
renommierten Zeitschrift "Motor" und weitere
hochjubelnde Pressekommentare machten das futuristisch
anmutende Auto zwar bekannt, führten ihm aber kaum
Käufer zu.
"Kinderkrankheiten" nennt man die ärgerlichen Mängel,
die fast jede technische Neuentwicklung aufweist. Nur
durch eine lange Erprobungszeit und zahlreiche
Konstruktionsänderungen lassen sie sich einschränken.
Edmund Rumplers Tropfen-Auto ging daran zugrunde. Zwei
Jahre nach der ersten Versuchsfahrt in der Umgebung des
Augsburger Konstruktionsbüros bauten die Rumpler-Werke
in Berlin-Johannisthal bereits die ersten
Kundenfahrzeuge. Angeblich sollen sie bis zu 25 l Benzin
auf 100 km verbraucht haben und unter ständigen Motor-
Kühlproblemen gelitten haben. Eine Konstruktionsschwäche
war der unruhige Lauf des 6-Zylinder-Fächermotors, den
Rumpler letztlich durch einen gewöhnlichen 4-Zylinder-
Reihenmotor ersetzen musste. Das Ausschlagen der Lenkung
und das Flattern der Vorderräder brachten ihm viel
Kritik ein. Für einen Reisewagen war das Fehlen des
Kofferraums ein großer Nachteil.
Als Taxi eignete sich der Rumpler-Tropfenwagen besser.
In Berlin sah man ihn gelegentlich mit der damaligen
Hauptstadtnummer IA als Kraftdroschke. Die Fahrgäste
konnten in den hohen Wagen bequem ein- und aussteigen
und auf einer komfortablen Sitzbank nebeneinander Platz
nehmen. Der Chauffeur saß mittig davor wie in einem
Flugzeugcockpit. 1923 kamen zwei Klappsitze hinzu, 1924
wurde das Karosserieoberteil verlängert. Ein reicher
Geldgeber steckte nochmals etliche Millionen Mark in das
Unternehmen, aber dann kam das Aus. 1925, als Edmund
Rumpler den ersten Tropfenwagen dem Deutschen Museum in
München stiftete, wurden in seiner Fabrik in Berlin-
Johannisthal die letzten gebaut - die allerletzten von
insgesamt vielleicht 100.
Der 53jährige Erfinder-Unternehmer gab deshalb aber
nicht auf. Selbstbewusst fuhr er den Museumswagen als
besonders "bemerkenswerte Neukonstruktion" anlässlich
des ersten Oldtimercorsos am 12. Juli 1925 durch
Münchens Straßen. Er beschäftigte sich schon längst mit
neuen frontgetriebenen Wagen, als im folgenden Jahr sein
Tropfen-Auto in Berlin zum Filmstar wurde. In dem
utopischen Zukunftsfilm "Metropolis" verbrannten in der
Schluss-Szene zwei der abnormen Fahrzeuge mit der
Roboter-"Maria", einer Unheilsgöttin, auf dem
Scheiterhaufen. Für den Ufa-Regisseur Fritz Lang waren
sie offenbar die Verkörperung einer furchterregenden
Technikentwicklung.
Edmund Rumpler dagegen wollte immer an der Spitze des
Fortschritts agieren. Als 36jähriger war der
Automobilingenieur für zehn Jahre zum Flugzeugbau
übergegangen. Er ahnte, dass das Motorflugzeug im
Bereich des Maschinenbaus zum Schrittmacher werden
würde. Den größten Erfolg hatte er mit seinem ersten
Flugzeug, der "Taube". Er baute sie öfter als den
Tropfenwagen. Seit 1911 sehen die Besucher des Deutschen
Museums ein frühes Exemplar an der Decke der
Luftfahrtabteilung hängen.
"Ich glaube, ich glaube, da oben fliegt ´ne Taube,
.............." sangen die Berliner vor dem Ersten
Weltkrieg. Nach dem Krieg besangen sie für lange Zeit
keine Flugzeuge mehr, war doch der Bau von
Motorflugzeugen von den Siegermächten verboten worden.
Rumpler wandte sich wieder den Straßenfahrzeugen zu -
voller Ideen und mit umfangreichen Erfahrungen
hinsichtlich der Aerodynamik. Das Ergebnis war der
Tropfenwagen. Nicht so erfolgreich wie die "Taube", aber
viel spektakulärer - heute noch.
Quelle: |
Deutsches Museum München; http://www.design-classic-cars.de |
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